Nachruf
Unterstützer der Ärmsten
Presse: Donnerstag, 09. Januar 2025, Erdinger Anzeiger / Nördlicher Landkreis
Josef Gaßner gründete mit seiner Frau Ida die Indienhilfe „Schritt für Schritt“
Wartenberg/Tiefenbach – Josef Gaßner war ein Mann der Tat. In den vergangenen 30 Jahren hat er den Großteil seines Engagements den armen Menschen in Indien gewidmet. 1994 gründete er mit seiner Frau Ida (91), seiner Familie und engagierten Ehrenamtlichen die Hilfsinitiative „Schritt für Schritt, Hilfe mit System“. Nun ist der unermüdliche Unterstützer der Ärmsten im Alter von 94 Jahren verstorben.
Es sind beeindruckende Zahlen: Die Gaßners aus Schlossberg in der Gemeinde Tiefenbach (Kreis Landshut) haben mit Schritt für Schritt bis heute über 13 000 Kindern durch das Patenprogramm eine menschenwürdige Zukunft ermöglicht. 5000 Patenschaften laufen derzeit. Zahlreiche Paten wohnen im Landkreis Erding, nicht zuletzt in und um Wartenberg. Um sie kümmert sich die Wartenbergerin Monika Blechinger-Zahnweh, die Vorsitzende von Schritt für Schritt. Sie erinnert an die Anfänge.
„Alles begann 1993 mit dem Besuch eines indischen Bischofs“, erzählt sie. „Er war begeistert von dem Solarkocher, den er bei Familie Gaßner im Garten sah, und war der Meinung, er könnte in seiner Heimat sehr hilfreich sein.“
Drei Bausätze für den Bischof
Sepp Gaßner, der das Reisen liebte, unterstützte den Bischof und flog mit drei Bausätzen im Gepäck 1994 zum ersten Mal nach Indien. In Kranken-, Waisenhaus und Priesterseminar kamen die Kocher zum Einsatz. Beim Premierenbesuch lernte Gaßner, beruflich lange Zeit als Fahrer und im Büro tätig, Schwester Kala kennen, die ihm dolmetschte und bis heute wichtigste Kontaktperson vor Ort ist. Sie betreute in einem Waisenhaus heimatlose, verwaiste Mädchen unter schwierigen Bedingungen. „Gaßner, immer ein Mann der praktischen Lösungen und schnellen Hilfe, sah die Not dieser Kinder, die auf dem blanken Boden schliefen, und entschloss sich spontan, mit stabilen Holzbetten zu helfen“, blickt Blechinger-Zahnweh zurück.
Bald stellte sich die Frage, was aus den Kindern im Waisenhaus werden würde, sobald sie erwachsen sind, da in Indien die Kosten für Schul- und Berufsausbildung selbst aufgebracht werden müssen – die Geburtsstunde der Patenschaften. Ziel ist es, indischen Kindern, die wegen der Armut ihrer Eltern Analphabeten bleiben müssten, eine Ausbildung zu ermöglichen. Ebenso sollen sich die Familien der ärmsten Schicht durch Hilfe zur Selbsthilfe eine Existenzgrundlage schaffen können.
Gleich zweimal das Verdienstkreuz
Die Gaßners sammelten unzählige Spenden zur Errichtung von Schulen und Kinderheimen. Jedes Jahr überzeugten sich die beiden vor Ort, dass die Spendengelder bestimmungsgemäß verwendet wurden. Die Arbeit für Schritt für Schritt beanspruchte die meiste Zeit des Ehepaars, das zusammen die Kinder Christine und Josef hat, hinzu kommen zwei Enkelinnen.
„Die vielen Vorträge über die Reisen nach Indien begeisterten die Zuhörer immer wieder aufs Neue. Jedes Wort war authentisch und kam von Herzen“, sagt Blechinger-Zahnweh. So hätten die beiden stetig neue Paten gewinnen können. Gleich zweimal wurde den Gaßners das Bundesverdienstkreuz überreicht, außerdem eine Reihe weiterer Auszeichnungen.
Gaßner war auch in der örtlichen Feuerwehr aktiv, er kegelte, sang im Kirchenchor, war im Krieger- und Sportverein. Die Trauer um ihn ist nun groß. Blechinger-Zahnweh: „Wir verlieren in ihm einen engagierten Unterstützer der Armen in Indien und behalten ihn in dankbarer Erinnerung.“
MARKUS SCHWARZKUGLER
Im Herzen in Indien
Landshuter Zeitung vom 9.1.2025
Tiefenbacher Josef Gaßner ist kürzlich mit 92 Jahren gestorben. Er gründete vor über 30 Jahren den Verein Schritt für Schritt zur Hilfe indischer Kinder ohne Perspektive
Von Anna Obermeier
Landkreis. „Mein Vater war immer da und hat alle unterstützt“, sagt Sohn Josef Gaßner junior. Dessen Vater, Josef Gaßner senior, ist am 31. Dezember im Alter von 92 Jahren gestorben. Bis zu seinem Tod wurde er zu Hause gepflegt. Er hinterlässt ein Lebenswerk: den Verein „Schritt für Schritt – Hilfe mit System“. Gaßner baute mit seiner Frau Ida vor 30 Jahren den Verein auf, der inzwischen in vielen Teilen Indiens Kinder und Jugendliche unterstützt.
Aufgewachsen ist Josef Gaßner, genannt Sepp, in Landshut als ältestes von vier Kindern. 1944, mit zwölf Jahren, musste er schon für die Familie etwas dazuverdienen, weil das Geld nicht reichte. Er fand eine Anstellung als Knecht bei einem Bauern in Mirskofen. Gaßners Vater kam nach dem Krieg nicht mehr zu seiner Familie zurück. Er hatte in Stalingrad gekämpft, überlebte jedoch den Rücktransport nach Berlin nicht.
In der Zeit als Knecht auf dem Hof besuchte Josef Gaßner die Landwirtschaftsschule und qualifizierte sich für ein einjähriges landwirtschaftliches Praktikum in Finnland. Die Reise in das nordische Land trat er mit dem Moped an. Bis er am Hof der finnischen Familie ankam, dauerte es eine Weile, denn Gaßner arbeitete als Tagelöhner, wenn der Tank leer war. Mit dem Geld, das er immer wieder schrittweise verdiente, tankte er und setzte seine Fahrt fort.
Glückliche Zeit in den Bergen
Zurück in Niederbayern fand er mit seinen Erfahrungen eine Stelle im Außendienst bei einer Raiffeisen-Gesellschaft, einer landwirtschaftlichen Genossenschaft. Im Außendienst kam er durch viele Ortschaften und Dörfer und lernte so Ida Reichl aus Münchsdorf kennen. Die beiden heirateten am 4. Januar 1958 und waren bis zum Tod des Ehemanns vergangenes Silvester zusammen. Zwei Kinder bekam das Paar: 1958 Tochter Christine und 1966 Sohn Josef junior.
Josef Gaßner senior war sein ganzes Leben „auf Achse“, so beschreibt es sein Sohn. Nach seiner Zeit bei der Raiffeisen-Gesellschaft arbeitete er als Fahrer für „Esso“ und entwickelte ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu den Eigentümern. Nach dessen Tod vermachte ihm der Inhaber sogar seinen Mercedes. Das sei ein starker Gegensatz zum sonstigen Lebensstil der Familie Gaßner gewesen: „Jede Mark“ sei damals für den Hausbau gespart worden. Zwei Häuser baute Gaßner in Tiefenbach selbst, denn handwerklich geschickt war er, sagt sein Sohn. Das zweite Haus vermietete er. Auch wenn die Familie sonst sehr sparsam war – Urlaube gönnten sich die Gaßners jedes Jahr. Im Auto ging es nach Italien, zum Zelten ans Meer oder zum Wandern in die Dolomiten. Auch als die Kinder schon groß waren, unternahm das Paar noch viele Bergtouren. „Ich glaube, mein Vater hat in den Bergen die glücklichste Zeit seines Lebens verbracht“, sagt Gaßner junior.
„Sepp“ fand neben der harten körperlichen Arbeit immer Zeit für Geselligkeit, etwa beim Kegeln, Singen im Kirchenchor oder daheim im Partykeller. Im Winter gingen die Gaßners Langlaufen mit Freunden im Bayerischen Wald. Was dabei nie fehlen durfte: gutes Essen und reichlich Süßes. Auch sein Glaube war ihm wichtig, er ging regelmäßig in die Kirche und betete. Gaßner war beliebt in seinem Umfeld und engagiert in Vereinen, wie der Feuerwehr, dem Sport- und dem Kriegerverein.
Mit dem Jahr 1994 begann für die Eheleute Gaßner noch einmal eine neue Lebensphase. Ida und Sepp gründeten den Verein „Schritt für Schritt“. Etwa ein Jahr davor besuchte ein indischer Bischof Landshut und war auch zu Hause bei den Gaßners. Dort entdeckte der Bischof im Garten einen Solarkocher und meinte, dieser könnte in Indien sehr hilfreich sein. Daraufhin flog Gaßner nach Indien, mit drei Bausätzen im Gepäck. Vor Ort unterstützte ihn eine gewisse Schwester Kala als Dolmetscherin. Die Ordensschwester wurde ab dann ein wichtiger Bestandteil des Projektes vor Ort. Sie betreute in einem Waisenhaus heimatlose Mädchen unter schwierigen Bedingungen. Als Gaßner sah, dass die Mädchen auf dem blanken Boden schliefen, kümmerte er sich darum, dass sie in Holzbetten umziehen konnten. „Als mein Vater in Deutschland landete, hatte er kein Geld mehr für einen Gepäckwagen am Flughafen, er hatte alles Geld den Menschen gegeben“, erzählt Gaßner junior. „Wenn ich meinen Vater als Menschen beschreiben müsste, würde ich sagen, dass er sehr zuverlässig und ein grundanständiger Mensch war“, sagt sein Sohn über ihn.
Ausbildung für zigtausende Kinder
Mit Unterstützern in Indien und Deutschland bauten die Gaßners das Engagement des Vereins immer weiter aus. Inzwischen hat der Verein zwei große Schulen und viele kleinere, auch in Slums, also Armenvierteln, gebaut. Dazu kommen noch fünf Kinderheime und Wohnheime für Mädchen und Jungen. Außerdem unterstützt „Schritt für Schritt“ auch die „Hilfe zur Selbsthilfe“, indem Brunnen gebaut, Kühe, Ziegen oder Fahrräder finanziert werden. In Indien müssen die Kosten für Schul- und Ausbildung von der Familie selbst getragen werden. Das bedeutet, viele arme Kinder gehen nicht zur Schule. Da setzten die Patenschaften an: Sie finanzieren die Kinder bis zum Ende ihrer Ausbildung.
Das Ehepaar war jedes Jahr bis zu vier Wochen in Indien, begleitete dort Bauarbeiten und besuchte die Mitarbeitenden. „Das war kein Urlaub, sondern ein Termin nach dem anderen, auch anstrengend durch die großen Entfernungen“, schildert sein Sohn die Aufenthalte.
Das Wirkungsgebiet des Vereins erstreckt sich über das östliche und südliche Indien. Durch Kontakte vor Ort und Vernetzung mit anderen Organisationen wurde das Gebiet immer größer, erzählt Josef Gaßner junior. In den letzten Jahren zogen sich die Gaßners immer mehr aus dem Verein zurück und übertrugen ihre Aufgaben an die Mitglieder. Ob die täglich stundenlange Begleitung der Paten oder die Betreuung der Baustellen – das Lebenswerk geht weiter.
Wegbegleiter, Tochter und Sohn engagieren sich noch immer in dem Verein, der vor über 30 Jahren gegründet wurde. Bis heute konnten zigtausende Kinder eine Schulbildung und Ausbildung ermöglicht werden, aktuell laufen fünftausend Patenschaften über den Verein. Für das Engagement wurde Josef Gaßner zweimal das Bundesverdienstkreuz verliehen.